Eine lernende Organisation

Die Digitalisierung verändert die berufliche Aus- und Weiterbildung und das Lernen in Organisationen. Modelle „von der Stange“ und die klassischen Lehr-Lern-Settings haben ausgedient. Heute gehen Lernbedarf und Lernaktivität von den Menschen aus. Die T.CON GmbH & Co. KG aus Plattling lebt moderne Personalentwicklung. Volker Schröck, HR-Leiter im Bereich People & Culture, mit einem Einblick.

Herr Schröck, bis heute gibt es in vielen Unternehmen Standards und vorgefertigte Seminare. Ist diese Form der Personalentwicklung noch zeitgemäß?

In den meisten Fällen nicht. Lernbedarfe sind heute individueller und standardisierte Seminare sind oft zu starr, gerade in der IT-Branche. Flexibles Lernen – etwa durch Micro-Learnings, Webinare oder Fachkongresse – ist dynamischer und schneller. On top werden die Inhalte so oft einprägsamer als in jeder standardisierten Schulung. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Impuls zum Lernen auch meist von unseren Mitarbeitern selbst ausgeht. Als Individuen sind sie auf eigenen Lernpfaden unterwegs, die sich so in Standardschulungen gar nicht abbilden lassen.

Was zeichnet eine „lernende Organisation“ aus, egal wie groß oder klein der Betrieb sein mag?

Fehlerfreundlichkeit und Experimentierfreude. In einer lernenden Organisation sind Fehler keine Niederlage, sondern Chancen. Es geht darum, regelmäßig Dinge auszuprobieren und sich so weiterzuentwickeln. Wir leben dabei auch stark davon, dass unsere Mitarbeiter ihr Wissen aktiv teilen. Die Bereitschaft und Selbstverständlichkeit voneinander zu lernen, ist ein zentraler Baustein, der uns seit Jahren prägt. Die Lust auf lebenslanges Lernen ist nicht „nice-to-have“, sondern in gewisser Weise eine Erwartungshaltung. Lernen passiert dabei häufig auch während der Arbeit, z.B. in Projekten, durch Feedback, Retrospektiven oder den Austausch im Team. Etwa 70 Prozent des Lernens erfolgt aus Erfahrungen durch Learning by Doing, 20 Prozent passiert im Austausch miteinander und nur zehn Prozent ergeben sich aus formalen Lernprozessen. Ich kann nur empfehlen, einen Fokus auf die 90 Prozent des informellen Lernens in der Personalentwicklungsstrategie zu legen.

T.CON verfügt über eine ausgeprägte Lernkultur. Wie sieht für Sie die „gelebte Form der Personalentwicklung“ im Alltag aus?

Unsere Personalentwicklung ist individuell und praxisnah. Wir unterstützen unsere Mitarbeiter dabei, ihre fachlichen Fähigkeiten und persönlichen Talente weiterzuentwickeln, damit sie ihre beruflichen Ziele erreichen. Zugleich passen wir unser Angebot zielbezogen auf die aktuellen Anforderungen von T.CON an. Dies erfolgt zum einem durch unser „People & Culture-Team", zum anderen – gerade was die fachliche Entwicklung angeht – direkt durch die Teams in den verschiedenen Abteilungen. Unser Learning Management System (LMS) unterstützt außerdem unsere Mitarbeiter dabei, Transparenz über unsere Standard-Lernformate zu finden. Neben einem vordefinierten Weg an Lernpfaden – gerade für unsere neuen Kollegen – ermutigen wir dabei, dass jeder sich gemäß seiner individuellen Bedürfnisse entwickelt. Das leben wir vom ersten Tag an und vermitteln es so auch im Rahmen eines zweitägigen Seminars, den so genannten T.Expectations. Hier erarbeiten wir mit unseren Newbees unter anderem, dass persönliche Entwicklung viel mehr als die Entwicklung von Fachkompetenzen ist. Ein Beispiel: Eine Kollegin erzählte uns einmal, wie sie nach den T.Expectations mit einem ganz neuen Blick auf ihre Karriere gestartet ist. Ihr wurde klar, dass es nicht nur darum geht, technisch perfekt zu sein, sondern auch, wie sie ihr Team unterstützen, Feedback geben und aktiv zur Unternehmenskultur beitragen kann. Sie sagte später, dass sie von Anfang an das Gefühl hatte, bei uns mehr als nur eine Rolle auszufüllen – nämlich als Mensch mit all seinen Talenten wahrgenommen zu werden. Solche Rückmeldungen zeigen: Wir sind auf dem richtigen Weg.

Was ist gerade im Bereich Ausbildung aus Ihrer Sicht wichtig und welche Rolle spielen digitale Medien?

Wie bei allen Mitarbeitern ist auch im Bereich Ausbildung die individuelle Förderung wichtig. Jeder Auszubildende hat eigene Stärken, Schwächen und Interessen, die wir berücksichtigen. Im Unterschied zu Menschen mit mehr Berufserfahrung ist es aus meiner Sicht wichtig, die Azubis enger zu begleiten und sie nach und nach an das Thema selbstgesteuertes Lernen heranzuführen. Unsere Ausbilder können dabei als Lerncoaches gesehen werden. Wir setzen hier stark auf digitale Medien, sei es über Online-Formate in unserem LMS, fachspezifische Lernplattformen, wie der Learning Hub von SAP, oder auch viele interne Wissens-Nuggets in unserem Confluence, unserem internen Wiki. Der Einsatz von GenAI-Tools wie CoPilot oder ChatGPT, um Lösungswege zu finden und sich Themen zu erarbeiten, ist für viele unserer Auszubildenden selbstverständlich.

Noch ein Wort zum „Siegeszug der KI“, wagen Sie einen Ausblick für unsere Leser?

Für mich ist KI ein täglicher Begleiter geworden und stellt in vielen Punkten einen wertvollen Mehrwert dar, sei es beim Formulieren von Texten, zur Unterstützung bei der Ausarbeitung von strategischen Themen und Konzepten als auch als Sparrings-Partner, um eine andere Sicht auf diverse Bereiche zu bekommen. KI hat auch enormes Potenzial für personalisiertes Lernen. Mithilfe von CoPilot kann man zum Beispiel Lerninhalte wunderbar auf die individuellen Bedürfnisse und das Tempo von Mitarbeitern zuschneiden. Ein „Learning-Buddy“ auf KI-Basis, der Fragen beantwortet oder Inhalte vorschlägt, ist keine Zukunftsmusik mehr. KI wird Ausbilder, Trainer und Coaches nicht ersetzen, sondern unterstützen. Der maximale Nutzen von KI liegt für mich in der Interaktion von Mensch und Maschine. Dabei ist es relevant, den Menschen nicht nur Tools zur Verfügung zur stellen. Sie müssen lernen, mit KI zu arbeiten. Das bedeutet aber nicht nur technisches Know-how, sondern auch Kompetenzen wie ethisches Bewusstsein, kritisches Denken und den Umgang mit Daten. Denn klar ist auch uns: KI ist gekommen, um zu bleiben.

Artikelnr: 271850